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Dear Life. Hello.

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Aschenputtels Karriereaus

2/9/2017

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Tag danach. Nach der Filmpreisverleihung. Vorbei. Das schwarze Kleid hing wieder am Kleiderbügel und sah aus als würde es schlafen. Und auch ich, sonst eigentlich ein Morgenmensch, zog mir nochmal die Decke über den Kopf. Zu düster noch draussen vor dem Fenster. Und noch nicht bereit, den Alltag wieder aufzunehmen. Im Kopf spielte ich die Szenarien der vergangenen Nacht nochmals durch. Überlegte hin und überlegte her, was das nun wohl alles zu bedeuten hatte und blieb immer wieder bei einem Gedanken hängen: Das war’s. Ich glaub, es ist vorbei. Meine Karriere endet, bevor sie richtig begonnen hat. Ich konnte mich nur davon überzeugen aufzustehen, indem ich mir Frühstücksporridge versprach. Mit viel Zimt und echter Bourbonvanille. Das half ein wenig. Mit einer großen Tasse Kaffee in der einen Hand,  breitete ich mit der anderen Hand meine To-do-Listen und Arbeitsmaterialien vor mir auf dem Tisch aus: Die vierteljährliche Aussendung an die Casterinnen und Caster in Deutschland war fällig. Meine Website war auch noch nicht fertig überarbeitet. Das Skript-Projekt, dessen Einreichfrist immer näher rückte, wartete darauf, weiter entwickelt zu werden. Und die vorarlbergische Sprachprobe, die das Tonstudio gerne von mir haben wollte,  war inzwischen schon mit mehreren Farben eingekreist.
     Ich machte zuerst mal ein Sudoku – ein Sonntagsstandardsudoku, weil die noch eine echte Herausforderung sind – blieb aber hängen. Also googelte ich Strickjacken. Überlange Strickjacken. Mußte schließlich auch erledigt werden. Mein Wintermantel war nicht warm genug für die eisigen Temperaturen der letzten Wochen. Das war also wirklich etwas, was jetzt Sinn machte. Strickjacken googeln. Als mein Zalando-Warenkorb mit siebzehn verschiedenen Strickjacken, drei Schals, zwei Kaschmirpullovern und weiteren essentiellen Winterkleidungsstücken voll war, warf ich dann aber doch noch zur Sicherheit einen Blick auf den Außenthermometer. +8 Grad.  Ich leerte den Warenkorb wieder. So kalt war es nun auch wieder nicht. Aber der Thermometer war ganz schmutzig. Den sollte ich mal putzen. Ich nahm das Frosch-Putzmittel aus der Lade über dem Klo und bemerkte, dass auch hier Putzbedarf bestand. Und die Staubflausen in der Ecke und unter der Tür wollte ich schon längst mal weggesaugt haben.
​      Die kleinen Teppiche in der Waschmaschine, das Bett frisch bezogen, die Therme entlüftet, den Kühlschrank gesäubert, den Wasserkocher entkalkt, diverse Löcher in Socken und Unterhemden geflickt und die Vorratsschränke der Küche wieder voll aufgestockt, sank ich schließlich auf die Couch. So viel geschafft. So viel erledigt. Nur die Liste war noch voll. Ich wand mich hin und her, wollte nicht, konnte nicht, wollte nicht. Wozu denn auch? Karrieretod. Was sollte ich da noch schreiben?! Noch einreichen. Noch bewerben. Hatte ich erstens schon hunderttausend Mal gemacht das alles und zweitens: Karrieretod. Endgültig. Aber dann die zweite Stimme: Mach was draus. Nutz es. Nutz das Erlebnis. Nutz die Stimmung. Mach was draus. - SICHER! NICHT!!, brüllte ich mich an. Verdammter Klugscheisser das!! Und doch: mich innerlich windend wie ein Wurm, bewegte ich mich Richtung Computer. Einschalten. Das Hochfahren dauerte zu lange. EBEN!! Lass es! Iss was! Aber ich ließ es nicht. Ich quälte mich durch die ewig dauernden Sekunden des Ladeprozesses und hielt sogar den Blick der leeren, weißen Word-Datei stand. „FILMPREIS“ tippte ich. „FILMPREIS UND NACKTROLLE“. Kampf gewonnen! Die Sekunden nahmen wieder ihre normale Länge an. Und plötzlich flogen die Stunden. Wörter, Wörter und noch mehr Wörter. Bis das Tippen plötzlich aufhörte. Fertig. Schon fertig. Und ich fühlte mich großartig. Alles war wieder großartig! Alles machte wieder Sinn! Alles war wieder entwirrt und entwunden, hatte seine Ordnung in einem Word-Dokument und im Leben wieder gefunden. Alles war ok. Ist ok. Es ist, wie es ist. Es kommt, wie es kommt. Karrieretod oder doch noch nicht ganz – meine Zuversicht war wieder da. Meine Motivation back on track. Her mit der To-do-Liste!
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    Julia Koch

    Schauspielerin.
    Schreibende.
    ​In Wien.
    ​

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