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Dear Life. Hello.

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Filmpreis und Nacktrolle

2/2/2017

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Gestern war die Verleihung des Österreichischen Filmpreises und ich war da. Zwar nicht unter den Nominierten, aber immerhin auf der Gästeliste. Und das kam so:
Vor einiger Zeit hatte ich die Idee, es wäre doch wunderbar, wenn es einen Preis für Kleinstrollen gäbe. Wunderbar für mich. Als „Rosinen-Mutter“ in Marie Kreutzers Film „Was hat uns bloß so ruiniert“, wär ich bei Einführung dieser Kategorie natürlich gleich die erste Nominierte, und ich übte mit der Zahnbürste im Mund schon mal meine Dankesrede. Selbstverständlich ist mir klar, dass es in jedem Department des Films Nachwuchs gibt, der gefördert werden möchte, außerdem war es für dieses Jahr bereits zu spät, aber mir gefiel die Vorstellung, dass Schauspielerinnen und Schauspieler, die oft sehr lange in der Liga der Kleinrollen hie und da ein paar Sätze sprechen dürfen und gelegentlich in Werbungen auftauchen, dadurch die Chance hätten, kurz Aufmerksamkeit zu ergattern  und eventuell einen großen Schritt nach vorne, vielleicht sogar in die Nebenrollenkategorie, schaffen könnten. Erstmal teilte ich diesen Gedanken natürlich keinem mit. Und schon gar nicht der Österreichischen Filmakademie. Wer war ich schon, mir so eine eigennützige Dreistigkeit zu leisten?! Aber ich suchte mir trotzdem mal die Kontaktadresse raus. Die lag dann da auf meinem Schreibtisch. Und irgendwann verfasste ich einfach mal eine E-Mail. Ich musste sie ja nicht abschicken. Und irgendwann kam ich zu dem Schluss, ich könnte die E-Mail ja ohnehin ans Büro schicken. Dort würde es schon aussortiert werden. Und dann schrieb ich an die Chef-Etage. Doch. Ich bekam fast sofort und unglaublich freundlich Antwort, direkt von der Geschäftsleitung persönlich.  Sie versprach, mein Anliegen trotz dargestellter Schwierigkeiten, vorzubringen und fügte am Ende hinzu, ein großer Fan der „Rosinen-Mutter“ zu sein. „Die wird noch eine Ikone der aktuellen Mütter“ - so ihre Worte, die mich unglaublich freuten. Meine eigene, ganz persönliche kleine Anerkennung der österreichischen Filmakademie! Und am nächsten Tag, kam dann auch noch prompt eine Einladung zur Verleihung des Österreichischen Filmpreises am 1. Februar 2017. Mit lieben Grüßen.
     Mein Lieblingsschauspielcoach sagte immer, man solle jede kleine Errungenschaft feiern. Celebrate the little victories. Always celebrate the little victories. Man tendiert ja sonst eher dazu, diese kleinen Schritte mit einem „Nur“ auszustatten. Ich bin nur in einer Folge dabei. Und nur kurz. Ich bin eben nur das Mordopfer. So, als schämte ich mich dafür, nicht gleich die Hauptrolle bekommen zu haben. Letzten Monat hab ich nur eine Werbung gemacht. Oder: Ich war nur in der Endauswahl, gekriegt hat die Rolle dann eine Andere. Immer noch nicht weiter zu sein, als man vermeintlich sein sollte oder sein wollte, lässt einen manchmal darauf vergessen, die Schritte, die man macht, die kleinen Siege, zu feiern und sich daran zu freuen. Bis gestern Abend habe ich das immer gemacht - mich gefreut. Ich habe mir bei jedem noch so kleinen Schritt in die richtige Richtung  selbst auf die Schulter geklopft und mir weiterhin alles Gute gewünscht, mir Mut zugesprochen und zur Geduld ermahnt. Meine Zeit würde schon kommen. Meine Rolle. So auch bei der Mail, die ich von der Österreichischen Filmakademie bekommen habe. Mein Herz hat einen Hüpfer gemacht, Schmetterlinge im Bauch und sofort mit der Kleidersuche begonnen. Ich hab ja so was nicht im Kleiderkasten. Also gaaaaaaar nichts, was man da anziehen könnte. Und eigentlich wollte ich wirklich nichts Schwarzes. Ist es dann halt doch geworden. Auch ok. Kleid jedenfalls. Und dann Haare glätten und Make-up und hohe Schuhe. Alle diese Dinge, die ich normalerweise nicht mache, die nicht zu meinem Alltag gehören. Aufregend. Durch den dreckigen Stadtschnee und auf eisigem Boden in den hohen Schuhen zur U-Bahn getrippelt. Gefroren natürlich. Kleid ist ja beinahe durchsichtig dünn. Frisur unter der Mütze sofort zerstört. Einen der wunderschönen roten Alpaka-Handschuhen, die ich zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte verloren, als ich die Eintrittskarte aus der Tasche kramte, während die Schneeflocken die Wimperntusche zum Rinnen brachten. Aber gut, war alles irgendwie zu retten. Endlich angekommen, hab ich zwar Freunde getroffen und viele bekannte Gesichter gesehen und Hände geschüttelt und mich langsam wieder aufgewärmt im prunkvollen Saal im Rathaus, und auch die Bühne war toll, super Pia Hierzegger als Moderatorin und mein Film-Favorit hat dann auch den goldenen Preis geholt, aber so richtig zuhause habe ich ich nicht gefühlt. Mittendrin im Trubel des Filmgeschäfts umgeben von kleineren und größeren Stars und Drahtziehern der Branche, kam mir Einiges zu Ohren. Und all das Gehörte hielt mir den Spiegel vor. Weil es mir aufzeigte, welche Rollen ich nicht bekommen hatte, welche Leute ich nicht kannte, aber kennen sollte, welche Fähigkeiten mir fehlten und welche Schritte ich verabsäumt hatte. Wie verschwindend klein ich war und bin in diesem Meer an schauspielwütigen Frauen und Männern. Und der Mut sank. Ich verpulverte all meine Energiereserven mit freudigem Lachen, kräftigem Händedrücken, Bussis links und rechts und unbeschwertem Plaudern. Und dann fragte mich einer – ein Regisseur, und kein kleiner – ob ich denn Interesse hätte an einer Kleinrolle. Komparsenrolle eigentlich fast schon. Sagte er. Wieder nur was Kleines zwar, aber klar, warum nicht? Lieber kleine Schritte als keine Schritte. Always celebrate the little victories. Also ja. Er schien sich zu freuen und erzählte mir von der Duschszene, um die es sich handelte. Ich hielt kurz den Atem an, zögerte mit meinem Ahaaa..., versuchte Zeit zu gewinnen, um eine gute Antwort zu finden. Ich konnte schliesslich nicht Nein sagen. Alles, was ich will, ist eine Rolle! Immer! Tagein, tagaus wünsche ich mir jeden Tag immer wieder aufs Neue nur eine Rolle. Hauptsache eine nächste kleine Rolle. Und dann eine Große. Also konnte ich jetzt nicht Nein sagen. Jetzt, wo sie mir serviert wurde. Die Nacktrolle. Und ich wusste nicht, was tun. Es ist nämlich nicht das erste Mal. Ich habe schon Hauptrollen am Theater und in Studentenfilmen deswegen abgelehnt. Bin mit zittrigen Knien nach London zum Casting geflogen, weil ich angegeben hatte: Ok with nudity. Und habe mit Regisseuren verhandelt, doch ein Negligé tragen zu dürfen. Und das ist sehr verpönt. Eine Schauspielerin, die sich ziert. Man darf nicht g’schamig sein als Schauspielerin, sonst hat man in dem Business nichts verloren. Das weiss ich. Und eigentlich hab ich ja auch gar nichts dagegen – gegen Nacktheit im Film. Weder aus Zuschauerperspektive, noch aus der Sicht der FilmemacherInnen, die ich durchaus nachvollziehen kann. Aber es muss für mich die richtige Rolle sein. Nicht irgendeine. Nicht jede. Nicht eine Komparsenrolle eigentlich fast schon. Und so sagte ich tatsächlich doch Nein zur angebotenen Chance. Lehnte ab, was ich mir doch so sehnlichst wünsche. Sehe KollegInnen in Siebenmeilenstiefeln an mir vorüberziehen, während ich langsam einen kleinen Fuß vor den anderen setze, und sagte wieder einmal Nein zur Nacktrolle.
     Vollkommen verschwitzt und erschöpft vom Tanzen stolperte ich irgendwann lange nach Mitternacht in die Wohnung. Die Füße taten mittlerweile so weh, dass ich ins Badezimmer krabbelte. Wütend wusch ich mir das verschmierte Make-up vom Gesicht und schimpfte ein bisschen. Mir reichte es! Heute verfluchte ich die kleinen Schritte! Heute wollte ich große Schritte machen! Heute sah ich nicht, wie ich mit Babyschritten irgendwo ankommen könnte. Jedenfalls nicht da, wo ich hin wollte. Keine Zeit mehr für Babyschritte. Meine Geduld war am Ende. Und meine Moral verschwand mit der dreckigen Make-up-Schmiere und ein paar Tränen im Waschbeckenabfluss. Im Bett liegend übermannte mich dann auch noch der Zweifel. Hatte ich die falsche Entscheidung getroffen? Hätte ich die Nacktrolle doch annehmen sollen? Hätte ich überhaupt ALLES anders machen sollen? Was mach ich denn jetzt? Und ich schlief ein in einer Mischung aus Verwirrung, Hoffnungslosigkeit und Sehnsucht – nach der Rolle. Der richtigen Rolle. Meiner Rolle.  Ich klopfte mir nochmal auf die Schulter. Wird schon kommen!
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    Julia Koch

    Schauspielerin.
    Schreibende.
    ​In Wien.
    ​

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