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Dear Life. Hello.

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Frauen formen

2/24/2019

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Meine Eltern lasen uns Kindern jeden Abend einen Teil einer Geschichte vor. Wir hörten von der roten Zora, von Krabat und von Ronja, von Mogli und Pipi Langstrumpf, von Momo, Mio und Madita. Später las ich dann selbst, und zwar jeden einzelnen Krimi von Agatha Christie. Trotzdem wurde keine große Leserin aus mir wie aus meinen lesenden Eltern. Ich blieb eine kleine Leserin. In den letzten Jahren las ich je im Sommer ein, zwei Bücher und zu Weihnachten vielleicht eines. Immer Romane. Wenn ich bei meinen Eltern zuhause neben dem Bücherregal Yoga machte, studierte ich kopfüber die Buchrücken und suchte mir ein Buch aus. Das war’s dann wieder für ein paar Monate. Die Lesemüdigkeit, die sich eingeschlichen hatte, wurde zwar vermutlich nicht ausgelöst, aber doch unterstützt durch mein Prismasehen, das zufolge hatte, dass ich nur einäugig lesen konnte und mir gelegentlich eine selbstgebastelte Augenklappe zu diesem Zwecke aufsetzte. Anstrengend.
     Inzwischen habe ich eine Brille, die dem Lesen hilft. Und seit ich auf die Frauen gekommen bin, habe ich auch einen Büchereiausweis. Die Frauen sind es nämlich, die mein Interesse am Lesen wieder wachgerufen haben. Die weibliche Gedankenwelt. Nach eben jener habe ich mich auf die Suche gemacht. Daher also Büchereiausweis. 
     Als erstes habe ich „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir gelesen. Jedes einzelne Wort habe ich verschlungen. Bin mit dem Blick so oft über jeden Satz gefahren, bis ich dessen Inhalt wirklich verstanden und aufgenommen hatte. Ich habe geweint beim Lesen. Manchmal auch gelacht. Und einiges mitgeschrieben, denn so schnell werde ich den Schinken wohl nicht nochmal lesen. Nicht nur, weil es ein Schinken ist, sondern vor allem deswegen, weil es noch so viel mehr zu lesen gibt. So viele Vorbilder direkt vor meiner Nase in den Bücherregalen. Bücher von oder über Frauen, deren revolutionäre Haltungen, Überlegungen und Weltanschauungen mich in Erstaunen versetzen und mich motivieren. Alte Bilder, einst erdacht, werden auf’s Neue lebendig in meinem Kopf, und ich fühle mich plötzlich so verbunden. Verbunden mit Autorinnen, die teils schon lange nicht mehr leben, verbunden mit Gedankengut, das Zeit und Raum trotzt. Und verbunden mit den Frauen ganz generell. Es sind die Bücher, die mir inzwischen einige große Denkerinnen näher gebracht haben und sie mir ans Herz wachsen ließen. Es sind die Bücher, die in mir eine andere Zeit als jene, in der ich mich bewege, auferstehen ließen. 
     Voller Überschwang nenne ich Simone de Beauvoir, Anaïs Nin, Lou Andreas-Salomé und Gloria Steinem heute Freundinnen. Frauen, die gemein haben, je einen nicht vorgezeichneten Weg gegangen zu sein (und immer noch zu gehen), je ein Leben jenseits der Konventionen verbracht zu haben, immer auf der Suche nach der eigenen inneren Wahrheit und dem Ausdruck ihres tiefsten Selbst.

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    Julia Koch

    Schauspielerin.
    Schreibende.
    ​In Wien.
    ​

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