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Dear Life. Hello.

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Heiß heiß Baby

8/5/2018

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Es ist heiß heiß heiß. Und ich will mich gar nicht beschweren. Ich bin sehr erfreut, dass wir quasi seit April schönes Wetter haben. Ein langer Sommer. Mir ist das recht, die Sonne, das Licht, die Laune. Zumindest solange ich den Gedanken an Klimawandel, durstige Erde, durstige Menschen und Nestlé ausblenden kann. Und manchmal muss ich das, sonst dreh ich durch. Dann genieße ich die Wärme auf meiner Haut und die Tatsache, dass man sich so frei fühlt – man ist nicht auf beheizte Räume angewiesen und die Wohnungstüre bekommt einen rein formalen Charakter. Ich springe schnell raus um Melonen und Gurken zu holen, wieder rein um auszukühlen, raus um zur Post zu gehen oder kurz in den Park. Schlapfen an, Schlapfen aus und wieder an. Hin und her, wie es einem spontan beliebt. Das kommt mir sehr entgegen, und ein Schaudern läuft mir über den Rücken, wenn ich an den Winter denke und daran, wie unflexibel man ist und wie umständlich man sich täglich einpacken muss. Ein Grauen auch diese um vier Uhr nachmittags hereinbrechende winterliche Dunkelheit, die das Licht abdreht, obwohl man noch im Zimmer ist. Deswegen bin ich auch eine richtige Winterschläferin – schlafe mehr als üblich und warte auf das wiederkehrende Licht. Je mehr Frühjahr, umso wacher dann. Und im Hochsommer stehe ich zwischen halbsechs und halbsieben auf, weil sich Liegenbleiben nach Verschwendung anfühlt. Ich bin glücklich über diesen Zustand. Im Allgemeinen. Im Speziellen allerdings haben die so lange anhaltenden, überdurchschnittlich hohen Temperaturen der letzten Zeit begonnen, auch mich zunehmend zu beeinträchtigen. Immer schwerer wurden die Melonen und Gurken, meine Bewegungen lahmer und die Gedanken zähflüssiger, bis sie vor ein paar Tagen völlig zum Erliegen kamen. Meine Finger hingen in der heißen Luft über dem Keyboard und warteten auf Befehle. Buchstaben. Wörter. Sätze. Aber nichts. Dichte Stille. Alles war stehen geblieben. Klebte in den Gehirnwindungen fest. Der Computer hatte inzwischen den Ruhemodus gewählt und ich fühlte mich auch danach. Also nahm ich die erstarrten Hände vom Schreibtisch und wollte mir was zu essen machen. So verbringe ich meistens meine Pausen. Kochen ist mein Ausgleichssport. Aber bei über dreißig Grad in der Wohnung(!) war nicht daran zu denken, den Herd oder gar das Backrohr einzuschalten. Ich hatte sowieso keinen Hunger. Auch Yoga schied als Pausenbetätigung aus, weil ich keine dieser beneidenswert fitten Menschen bin, die unter allen Umständen Sport betreiben können. Ich schwitze auch bei Not Hot Yoga schon genug. Sich mit hocherhitztem Kopf zu biegen und ständig runter auf den Boden und wieder aufrichten - nein. Ich hatte die gratis Bikram Yogastunden (bei 36° Raumtemperatur) damals in einem konstanten Zustand des drohenden Kreislaufzusammenbruchs verbracht, mit diesem dunklen Gewicht im Hinterkopf, das schwer nach unten zieht und die Augen nach innen rollen läßt. Grellweiße Vignette um den eigenen Bildausschnitt und Kohlensäure im Hirn. Wie damals beim Bikram Yoga legte ich mich dieser Tage auch einfach auf den Boden, wenn’s mir zu heiß wurde. Zu heiß, um mich zu bewegen. Zu heiß, um zu sitzen. Couch, Bett, Sessel, Polster – alles zu heiß. Der Boden war angenehm kühl, zumindest im Verhältnis. Hitze flimmerte über mir. Logisch - in der Sauna trennen die einzelnen Sitzbankstufen ja auch ganze 10°, also musste es da oben an der Zimmerdecke etwa 50° haben, rechnete ich aus, während ich platt wie eine Palatschinke am Boden klebte. Liegend rief ich Tom an. Ich war noch nie baden diesen Sommer, Tommi. Der eben aus Kroatien zurückgekehrte, braungebrannte Meerverwöhnte hatte Mitleid und wir fuhren auf’s Land ins Bad. Jau. Herrlich war das. Herrlich kaltes, nein: eiskaltes Wasser. Frisches Quellwasser und runde Kieselsteine am Boden, die glatt unter den Zehen rollten. Ein angenehmer Wind ging und wir trockneten auf der Wiese liegend, ein seliges Lächeln auf den Lippen beim Gedanken an die vielen schwitzenden Stadtmenschen und den in den Straßen und Gassen stehenden Geruch der Hitze. Ich habe ein bisschen zu lange gelächelt. Beim Nachhausefahren konnte ich die sich ausbreitende Röte schon spüren und nachts tat ich dann kaum ein Auge zu. Jetzt konnte ich nicht mal mehr am Boden liegen. Alles brannte. Schlaftrunken und mit nur halbgeöffneten Lidern bewegte ich mich nackt durch das Dunkel der Wohnung – auch eine Unterhose wäre zu heiß gewesen, zu eng, zu brutal. Das Aloe Vera Gel trocknete in Sekundenschnelle auf meinen Schultern. Als endlich, endlich der Spar aufsperrte, war ich die Erste im Geschäft und verweilte ein wenig im Kühlregal, bevor ich mit drei großen Joghurts zur Kassa ging. Das weiße Joghurt schmierte ich mir auf den roten Körper, was wesentlich einfacher klingt als es ist. Joghurt verflüssigt sich nämlich bei Hitze, und mein Körper glühte. Mein Badezimmer sah aus wie ein Joghurtschlachtfeld. Selbst in der kalten Dusche hernach noch brannte meine Haut, mir war speiübel und ich wollte ein bisschen weinen, aber die Tränen waren zu heiß, also unterließ ich es. 
     Als mich Tom zum zweiten mal abholte, um mich mit dem klimatisierten Auto in den hohen Norden Österreichs zu bringen, wo es immerhin ein paar Grade kühler ist, fühlte ich mich nach wie vor wie eine pfannenfrische Palatschinke. Erst die kühlen Nächte des Waldviertels, die dunkle Ruhe und die kurzen aber heftigen Regengüsse halfen, das Feuer unter meiner Haut zu beruhigen. Und auch mein Gemüt. Mit etwas klarerem Verstand finde ich nun wieder ein paar Worte in meinem Kopf und ich setze mich ans Schreiben. Meine Wertschätzung des Winters ist in den vergangenen drei Tagen übrigens erheblich gewachsen. Neben Aloe Vera und dem vielen Wassertrinken half am besten die tief verschneite Krimiserie „Fargo“, um meinen Hitzehaushalt wieder in Balance zu bringen. Mordinvestigation im klirrend kalten Minnesota. Ice Ice Baby. Herrlich.

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    Julia Koch

    Schauspielerin.
    Schreibende.
    ​In Wien.
    ​

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