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Dear Life. Hello.

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Meine Geschichte

6/9/2019

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Mein Schreiben floß in den letzten Wochen nicht ins Internet. Ich habe mich mit einem Projekt beschäftigt, das mich seit vielen Jahren begleitet - die Idee einer Geschichte, die schlussendlich in Drehbuchform gegossen werden soll. Ich sage das so: eine Geschichte. Eine. Als wüsste ich nicht, dass es meine Geschichte ist. Als wäre das ein Geheimnis, das nicht mal ich kenne. Aber ja, aber nein, so ist es: es ist meine Geschichte. Nicht unbedingt meine exakte biografische Geschichte, aber eine, die darauf fußt, daraus entstand. Entsteht. Entstehen soll. Das ist es, was in mir gärt. Meine Fantasie wandert selten auf hohe See und gebiert Haikatastrophen oder Piratenabenteuer, sie bewegt sich immer an Land und meist in meiner Nähe. Darüber kann ich schreiben. Darüber will ich schreiben. Darüber schreibe ich. Und gelegentlich gelingt mir was, und ich fühle mich danach erschöpft und zufrieden, ein wenig wie nach einer langen, anstrengenden Wanderung. Manchmal ist es auch gar nicht so anstrengend. Manchmal fühlt sich der Weg wie ein flotter Frühlingsspaziergang an, links und rechts blühen die Narzissen, Kirschbäume biegen sich unter üppiger, zartrosa Pracht, und dazwischen grasen friedlich Einhörner. Alles easy.
     Nur meine Geschichte und ich - wir haben es nicht so leicht miteinander. Sie scheint was zu wollen, was ich nicht erkennen kann. Ich weiß nicht so genau, woran das liegt. Entweder ich verstehe sie nicht oder sie versteht mich nicht. Ich schreibe und denke und tüftle und verwerfe und schiebe und biege und breche und fange von vorne wieder an. Oft schon. Ich suche den richtigen Zugang, den passenden Ausschnitt, einen neuen Blickwinkel und die formgebende Sprache. Stunden vor dem Computer - Stunden, Tage, in denen maximal drei neue Sätze entstehen, die nach der Kaffeepause dann auch schon wieder entsetzt gelöscht werden. So vergehen die Monate. Ja, Monate. Regelmäßig hebe ich also alle paar Monate den Kopf, die Finger noch über der Tastatur schwebend, und bemerke schockiert, wie schnell die Zeit fliegt und wie träge die Buchstaben über den Laptopbildschirm kriechen. Und dann krieg’ ich einen Rappel. Dann muss etwas passieren. Weil sonst passiert nie was. Weil sonst komm' ich nie wo an mit diesem Ding. Weil sonst wird das nix. Ich setze mir dann eine Deadline, um den Druck und so hoffentlich auch den Output zu erhöhen. Ein Wettbewerb zum Beispiel, eine Einreichung. Da wird das Vorhaben dann etwas konkreter. Da muss man dann bestimmte Bedingungen erfüllen und hat eine vorgegebene Struktur, die Zeit und Raum und Inhalt betrifft. Das hilft. Es gibt somit ein Etappenziel in Sichtweite, auf das man zugehen und das man erreichen kann. Und solche Etappenziele habe ich auch bereits erreicht. Da lasse ich mich dann nicht lumpen. So ist es nicht. Es steckt noch genügend Streberin in mir, die mich ehrgeizig antreibt, Prüfungen zu meistern und sich Lob und Preis am Ende wünscht. Mit sowas kann ich mich also ein wenig aus der Reserve locken und meiner zähen Denkarbeit einen Tritt in den Hintern verpassen. Oder ich mache einen Drehbuchschreibkurs. Ähnlicher Effekt. Und: man ist in so einem Kurs nicht mehr alleine! Wesentlicher Punkt. Ich mag und brauche zwar sehr viel Raum und Zeit für mich und mich und mich, aber zu viel davon macht mir Knoten im Hirn und Enge um die Seele. Da ist mit Schreibfluss dann auch Sense. Man braucht auch Kontakt, ja ja. Menschenkontakt. Selbst als Schreibende. Und es ist gar nicht so einfach, sich das zu organisieren. Da müsste man halt im Team schreiben. Aber mit wem, mit wem? Kann ja nicht einfach inserieren: Suche Frau zum gemeinsamen Schreiben. Bitte gut. Deswegen also Schreibkurs. Das ist ein großer, großer Pluspunkt für Schreibkurs und Gruppen und Klassen und Schule und so. Mein letzter Schreibkurs ist allerdings schon lange her. Der Zuspruch, den ich dort bekommen habe, hat mich eine Zeit lang weitergetragen. Ein paar motivierende Begegnungen mit Menschen, denen hie und da und hie und dann mal gefallen hat, was ich mache, haben ebenfalls beigetragen. Ein „Weiter so!“, ein „Schick mir was, ich helfe dir!“, ein „Schreib endlich ein Buch!“ taten viel. Diese Sätze waren es, die mich an mich und mein Vorhaben glauben ließen.
     Wo liegt denn dann jetzt aber eigentlich das Problem, richtig? Das habe ich mich auch gefragt. Faulheit? Mangelnde Disziplin? Verhärtete Muster? Fehlende Leidenschaft? Nein, nein, nein und nein. Ich will ja schreiben, Seite um Seite. Ich kann mich an Abgabetermine und Vorsätze halten. Ich bemühe mich immerhin darum, regelmäßig neue Perspektiven einzunehmen und offen zu bleiben. Und ich kenne das Feuer in mir, die Aufregung, die in jede meiner Zellen fährt und mich nicht nur zuversichtlich und optimistisch, sondern nahezu euphorisch in die Zukunft blicken läßt. Nein, das ist es nicht. Es ist viel dramatischer. (Will ich wohl meinen.) Das Problem ist das Ergebnis. Das Produkt. Es ist platt. Fad. Banal. Stümperhaft. Unerträglich. Ich merke das. Ich sehe das. Und ja, ich hegte lange die zarte Hoffnung, dass es sich hierbei um ganz normale Zweifel im Leben einer Drehbuch-Entstehungsgeschichte handelt. Dass ein jeder und eine jede im Laufe eines Schreibprozesses durch dieserlei Unannehmlichkeiten durch muss. Aber ich fürchte, dem ist nicht so. Ich fürchte, es handelt sich in diesem Fall erstens um die anfängerhafte Ungeübtheit, Ideen in Worte und bestimmte Formen zu gießen. (Bin ich ganz müde, sage ich Unfähigkeit. Bei Sonnenschein bleibe ich bei Ungeübtheit.) Ein Exposé für einen Film zu entwerfen erfordert eben dramatisches Schreiben und andere Qualitäten als jene, die für das Darniederfetzen eines übersichtlichen Feuilletontextes, der mit Liebes Tagebuch beginnt, genügen. Das ist bitter. Au au. (Das Herz.) Und zweitens handelt es sich um die möglicherweise noch traurigere Tatsache, dass die Geschichte keine Geschichte ist, sondern eine Aneinanderreihung von Situationen, geschmückt mit ein paar gut gemeinten, an den Haaren herbeigezogenen Accessoires. Inzwischen ist sie auch schon recht lädiert, die Geschichte. Ich hab sie schon so oft gedreht, gewälzt, zermalmt und aus den Krümeln versucht, etwas Neues entstehen zu lassen, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob sie überhaupt noch atmet. 
     Deswegen fällt mir das Atmen derzeit auch ein wenig schwer. Weil wenn sie stirbt, muss ich vielleicht auch. Denn wenn sie stirbt, was dann? Was ist dann mit #writingactress? Ohne meine Geschichte, ohne mein Projekt, ist es dann wieder #waitingactress… Und so fühlt es sich an, als ob mit dem Scheitern der Formulierung meiner Geschichte, auch ich dem Untergang geweiht bin. Und deswegen atme ich etwas flacher dieser Tage. Und mein Herz, in vollem Galopp, weckt mich nachts des Öfteren auf. Da ist mir natürlich klar, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann mit mir. Also bin ich zur Ärztin gegangen. Die hat ein bisschen gelächelt, als ich sagte, mein Herz rast so. Hat aber trotzdem ein EKG gemacht. Zur Sicherheit. Danach hat sie nochmal gelächelt. Und ich bin sauer wieder nachhause gegangen, mit der kleinen Papierrolle in der Hand, die meine Herztöne in rhythmisch zackigen Linien zeigt, die das blühende Leben darstellen. Aus Frust habe ich so geweint, dass mir eine kleine Ader im Auge geplatzt ist. Weil jetzt weiß ich ja immer noch nicht, was mit meiner Geschichte los ist.


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    Julia Koch

    Schauspielerin.
    Schreibende.
    ​In Wien.
    ​

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