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Dear Life. Hello.

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Wunderbares Mädchen

9/14/2019

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Jedes mal, wenn ich etwas über mich schreibe, von mir zeige, mich präsentiere, dann muss ich denken: me, me, me, me, me. Es ist eigenartig, sich selbst so anzupreisen. Mann stellt sich in den Mittelpunkt und verhält sich, als sei man das Allerbeste, was der Markt zu bieten hat. Und das ist in den seltensten aller Fälle das, was man tatsächlich von sich denkt. Man ist ja selbst gar nicht so begeistert von sich, wie dieses Zurschaustellen wohl implizieren mag. In wenigen, kurzen Momenten nur blitzt manchmal eine gewisse Zufriedenheit oder Selbstsicherheit auf, die mir meine eigenen Fähigkeiten und Qualitäten vor Augen hält und mich mit stolzer Freude erfüllt. Voll füllt. Und mich aufrichtet. Wie eines dieser Luftballontiere - fup - Luft in die Beine, den Kopf, den Bauch, bis sie ganz prall und glänzend sind. Selten. Sehr selten. Und dann auch immer gleich das Luftauslassen wieder. Kein Knoten im Ballontier. Saust ohne nachvollziehbare Logik durch den Raum, spuddernd, pfeifend, bis es zusammengeschrumpft wieder in der gewohnten Ecke liegen bleibt. Alles Hundekacke. Denkt man dann. Über das Eigene.
     Man arbeitet da dran. Am Selbstwert. Daran, dass man da nicht verstaubt in dieser Zimmerecke. Man möchte ein Ballontier sein. Gefüllt, erfüllt, einerseits. Prall glänzend, andererseits. Und darum arbeitet man als Schauspielerin da dran. Am Glänzen. Und macht es sichtbar. Öffentlich. Sich. Die eigene Person. Und immer denkt man: me, me, me, me, me. Und dann: Marina, Marina, Marinaaa, du bist ja die Schönste der Welt. Als Kind habe ich das gehört. Ich besaß eine Kassette, auf der ich im Radio gespielte Lieder aufgenommen hatte, die ich dann mitgesungen habe. Das hat mir gefallen: Marina, Marina, Marinaaa, du bist ja die Schönste der Welt. Da war auch drauf: Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling, oh no. Und: Schöne fremde Mann, duuu bist lieb zu mir. Konnte ich alles auswendig. Eine Kassette berstend voll mit schwülstigen Bildern in eingängiger Melodie. In diversen Situationen drängen sich heute die passenden in mir eingebrannten Schlagerweisheiten nach vorne ins Bewusstsein und singen mir den Soundtrack zum eigenen Leben. Me, me, me, me, me. Marina, Marina, Marinaaa, dein Chic und dein Charme, der gefällt. Marina, Marina, Marinaaa, du bist ja die Schönste der Welt. Marina in dreifacher Ausführung begleiten unbeirrt und verlässlich meine Selbstvermarktung. Kein Posting ohne das Ballontier Marina. Fix verbunden mit me, me, me, me, me. Wunderbares Mädchen, daa da dada daa daa….
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Meer

9/6/2019

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Unlängst - vor dem offenen Kühlschrank stehend, abwägend, was man aus den letzten Resten verschrumpelten Gemüses noch zubereiten könnte - fällt mir auf, wie wenig Lust ich habe zu kochen. Ich überlege: die letzten Tage hatte ich ebenfalls schon Mühe mit der Motivation in der Küche. Seit Wochen eigentlich schon beschränkt sich mein Abendessen auf Gemüsehirse, die ich in fünf Minuten zubereite. Wenn ich zehn Minuten mehr Geduld habe, Gemüsereis oder Gemüsenudeln. Und wenn ich Gäste zum Essen geladen habe, fluche ich beim Hacken, weil der Hokkaido so hart ist und die gewünschten Würfelchen so klein. Zwei Töpfe überfordern mich bereits und am Ende des Prozederes bin ich meist verschwitzt und so erschöpft, dass ich mich vor dem Essen nochmal hinlegen muss. Die Erkenntnis, dass ich meine Kochleidenschaft verloren habe, läßt mich schaudern. Ich schließe den Kühlschrank und richte mir zwei Maiswaffeln mit Frischkäse. Ohne Teller. Verdattert. Verwirrt. Man denkt immer, es ändert sich nichts. Man bleibt immer dieselbe. Man meint, sich zu kennen. Ich, das ist: Schauspiel, Schreiben, Wandern, Essen, Kinder- und Katzenmensch und ein breites Lachen. Ich, die Denkerin, die gerne Metaphern verwendet und an das Große Ganze glaubt. Ich, die mit ihrem Gewicht kämpft und feministische Bücher liest. Ich, die Nervöse, die mit dunklen Ängsten tanzt. Ich, eine Grenzgängerin, schwankend zwischen Extremen, um Balance bemüht. Ich, die Hartnäckige, die Eigenwillige, die Optimistische, die Empfindliche, die Hungrige, … die Köchin. Wo ist sie hin, die Köchin? Die Maiswaffeln zäh im Mund, stelle ich in Frage, was ich bin. Zu sein glaube. War. Sein würde. Ich kaue gründlich, Maiswaffeln und Gedanken, die Augenbrauen wie kleine Gewitterwolken auf meiner Stirn. Vielleicht ändert man sich doch. Vielleicht ändern sich Dinge. Nicht nur fünf Kilos mehr oder weniger. Vielleicht verliert man auch Dinge, die man gar nicht loszuwerden gedacht hatte. Vielleicht ist mehr Entwicklung möglich als bisher angenommen. 
     Auf die Illumination in der Küche folgen weitere Momente der Veränderung. Statt in die Berge, fahre ich ans Meer. Statt früh aufzustehen, bleibe ich nachts wach. Statt laufen zu gehen, lege ich mich in die Hängematte. Statt mich auf die Waage zu stellen, esse ich mich satt. Statt nein, sag ich manchmal ja. Ich bin immer noch ich. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob die Bilder, die ich mir für mich festgelegt habe, die einzig möglichen sind. Und ich frage mich des öfteren, was ich noch sein könnte. Je länger ich über Veränderung und Entwicklung nachdenke, umso deutlicher sehe ich nun auch rückblickend, dass die Zeit doch Wandlung bringt. Ich fühle mich sicherer in mir als mit sechzehn. Ich bin etwas weniger streng mit mir als noch vor drei Jahren. Ich bin nicht mehr ganz so pünktlich und ordentlich, wie ich es von meinem zwanzigjährigen Selbst gewohnt bin. Heute lasse ich schon mal den Kaffee unter dem Filter überlaufen. Früher hätte ich da einen kleinen Anfall gekriegt. Heute hole ich ganz lässig einen Fetzen und schmeiß' den Teppich in die Waschmaschine. Viel wesentlicher jedoch: meine Vorstellung davon, was ein erfülltes Leben ausmacht, hat tatsächlich einen Umbruch durchgemacht. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich dafür wirklich sieben Kinder brauche. Ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob ich auch nur eines haben will. Ich sage nicht, haltet sie mir fern - sie sind nach wie vor eine ungeheuere Freude für mich, die Liebsten, die bisher in meinem Leben um mich sind, plappernd, krabbelnd - aber vielleicht, vielleicht brauche ich zu meinem Lebensglück keine weiteren kleinen Menschen. Keine Eigenen, wie man so zu sagen pflegt. Vielleicht… Bis vor wenigen Monaten noch war mir dieser Gedanke undenkbar. Und er erschüttert mich dieser Tage ebenso wie er mich fasziniert: es scheint tatsächlich möglich, dass sich Bedürfnisse und Erwartungen an das Leben ändern. Kinder, Küche oder Kaffee - ich bin ein neuer Mensch. Ein bisschen. Und weiterhin ein Meer an Möglichkeiten in mir.

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Urlaub in der Künstler-WG

8/30/2019

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Die Tarotkarten sagen, ich brauche Sonne. Ich sofort Vorhänge beiseite. Fenster auf. Draußen  - mäh - mager. Gut. Ich ruf' den Tom an. Der hat ein Auto. Und der sieht das ein, das mit der Sonne. Hätt’ er mir allerdings auch sagen können, meint er. Hätt’ ich nicht die Tarotkarten fragen brauchen. Sind wir uns jedenfalls alle einig jetzt, der Tom, die Karten und ich. Also rufen wir Marcus an. Der ist da schon, in der Sonne, am Meer. Wir kommen! Urlaubs-WG ahoi! 
    Mein Zimmer ist das schönste. Das größte, das hellste, das luftigste. Direkter Zugang zum Balkon. Allerdings not airconditioned wie die anderen beiden Schlafräume. Ich schwitze also durch die Nacht, reisse mir den Pyjama vom Leib, der ohnehin schon so stoffarm wie möglich gehalten ist, strample das dünne Laken vom Bett und strecke alle Viere in einem großen X von mir. Das finden die Mücken super. Glücklicherweise hat Tom alles mit. Überhaupt ALLES für ALLE Fälle. Unter anderem Histaxin. Das muss ohnehin weg, sagt der Tom, weil das ist vom letzten Sommer. Ich schmiere die Salbe auf die juckenden Punkte. Hilft. Trotzdem ziehe ich mir in der zweiten Nacht das Bettlaken bis zu Nasenspitze hoch. Am Morgen habe ich zwei Stiche auf der Stirn und sehe ein wenig aus wie ein Kälbchen. So Hornansätze. Ich suche das Histaxin. Auf der Packung steht: aufzubrauchen bis 07/2014. Von wegen letztes Jahr gekauft! Ich schimpfe ein bisschen, schmiere aber trotzdem. Tom meint, beim Histaxin ist das wie bei einem guten Wein: auf die lange Lagerung kommt’s an. Erst der richtige Reifegrad ist wirklich effektiv. Und in der Tat schwellen die kleinen Hügel auf der Stirn recht zügig wieder ab. 
     Die Tatsache, dass das Histaxin hilft, bestätigt jedoch eine Befürchtung meinerseits, die ich in den letzten Wochen schon gehegt habe: ich leide vermutlich (fürchterlich) an einer Histaminunverträglichkeit. Diese - so die Onlinerecherche - macht nämlich diverse Probleme und erklärt all meine Symptome der jüngsten Vergangenheit. Schlaflosigkeit, Zittern, Herzrasen, Bauchweh, Erschöpfung, Nervosität, um nur ein paar davon zu nennen. Ich zähle das jetzt so nonchalant hier auf, aber Marcus und Tom erkläre ich meinen Zustand von unlängst penibel detailliert. Jetzt, ja jetzt! geht es mir schon besser. Jetzt laufe ich den Hügel in der Mittagshitze hier hoch wie nix. Aber vor kurzem noch - halleluja! - vor kurzem bin ich noch gespensterblass durch die Gänge der Bibliothek geschlichen und schaffte es kaum, mich aufrecht zu halten. Und nachts krochen dann die Dämonen der Angst von allen Seiten zu mir ins Bett und flüsterten fröhlich, es sei nun aus mit mir. So ging es mir da! So! Und alles nur wegen des Histamins, wie sich jetzt bestätigte. Die beiden Zuhörer haben keine Einwände. Sei’s aus Zustimmung oder aus Hoffnung, ich möge meinen Monolog beenden - ich fühle mich jedenfalls bestärkt in meiner Vermutung und weigere mich von nun an, Meeresfrüchte zu essen oder Fisch, dessen Kühlkette mir nicht bekannt ist und folglich unterbrochen worden sein könnte. Außerdem keine Tomaten, Melanzani, Avocado, Bananen oder Ananas. Und nichts, was nicht wirklich frisch ist. Es gibt genug Listen im Internet zum Thema Histamin. Den beiden Mitbewohnern ist es recht, dass ich mir mein Essen selber koche.  
    Am ersten Morgen ist es still, als ich die Terrasse betrete. Marcus, zwischen Büchern, hat Kopfhörer und Sonnenbrille auf. Sagt nichts. Ignoriert mein Guten Morgen. Tom und ich tappen auf leisen Sohlen herum, schlürfen vorsichtig unseren Kaffee und wissen nicht so recht, wohin schauen. Erste WG-Interventionssitzung. Kommunkation, Marcus! Kommunikation bitte! Macht er dann auch glatt. Sagt: er braucht die erste Hälfte des Tages zum Arbeiten. Punkt. Und so sitzen wir jetzt alle Drei vormittags auf der schattigen Terrasse um den großen Tisch. Jeder mit einem kleinen silbernen Laptop mit Apfellogo. (Ein bisschen schämen wir uns dafür. Und ein bisschen gefällt uns das.) Wir denken, tippen, blättern, suchen, lesen, tippen weiter. Konzentriert. Drei rauchende Künstlerköpfe auf einer rosaroten Terrasse, umgeben von satt pinken Blütensträuchern, Palmen und Pinien. Wenn die Akkus leer sind, gehen wir ans Meer, und die Laptops stecken wir mittlerweile an den Strom. Ich natürlich kann nur mit 50er-Sonnenschutz und großem Strohhut das schützende Dach der Terrasse verlassen. Sonnenallergie. Da schmiere ich mir dann über die fettige Sonnencreme gleich auch noch Histaxin - hilft! - und liege träge unter Föhren, blinzle in das helle Glitzern des Wellen und beginne, mich zu langweilen. 
     Ich sekkier den Marcus. Der hat eine Kamera mit. Nur ein kleines Fotoshooting, sage ich. Ganz kurz nur, bitte bitte, nur eine halbe Stunde! Wir fangen an, da ist die Sonne golden und hören auf, als die Kamera nur noch Nachtschwarz festhält. Eine lange halbe Stunde. Ich hoffe, Marcus hat das nicht bemerkt. Die Euphorie überwiegt mein schlechte Gewissen allerdings. Überwiegt alles. Übertönt die Hitze, den Schweiß und die schlaflosen Nächte. Trumpft Mückenstiche,  Sonnenallergie und Histaminunverträglichkeit. Zur Feier des Tages gehe ich mit den Jungs ins Restaurant und bestelle Trüffelpasta. Weil den Histamingehalt von Trüffeln kann ich auf keiner Liste finden. Trüffel geht also. Und schmeckt königlich. Auch der Sternenhimmel ist königlich. Die würzige Luft… Diese Nacht schlafe ich tief und ruhig. 
     Inzwischen haben wir uns eingegroovt, wir Drei. Die WG hat ihren Rhythmus gefunden. Die Türen werden auf Toms Ansuchen hin weniger energisch geöffnet und zugeknallt, wenn einer - zum Beispiel er, der Tom, nur zum Beispiel - noch schläft in der Früh, Marcus sagt höflich Guten Morgen und ich bemühe mich, meine Monologe kürzer und das Drama in Grenzen zu halten.
       Schön ist es hier!
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Die Oma

8/18/2019

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Heute hat die Oma Geburtstag. Auf dieser Erde wäre sie am 18. August 2019 dreiundneunzig geworden. Auf diesem Foto ist sie vielleicht so alt wie ich heute. Mit Bier und Tschick zwischen den Fingern und Butter im Kühlschrank. Noch etwas weiter zurück, in den Vierzigerjahren, war die Oma eine schwarzweiße, ordentlich frisierte, junge Frau, die manchmal im Dirndl am Berg war und manchmal in Uniform im Krieg. Sie hat sich nicht mit Yoga und Biogemüse und dem Künstlerinnendasein auseinandergesetzt. Weil die Oma schon als Kind, wie ihre Schwestern auch, zu einem Bauern geschickt wurde, um zu arbeiten. In Omas Kindheit und Jugend stellte sich die Frage nicht, ob sie denn nun geschlechter-gleichberechtigt behandelt wurde, und ob sie vielleicht lieber Hosen getragen hätte. In Omas jungen Jahren ging es um Dringlicheres. Das war damals für Frauen noch neu, das mit dem Hosentragen und das mit dem Studieren. Mancherorts waren sogar weibliche Wahlstimmen (noch lange) verboten. Das kann man überall nachlesen.
     Meine Oma allerdings hat mir gegenüber nie vom Wählen gesprochen. Nur manchmal vom Krieg. Und sie hat mir gesagt, sie habe den Opa geheiratet, weil er sie rumgekriegt hätte. Sie hatte eigentlich einen Anderen wollen, nicht den Opa. Aber der Opa war hartnäckig gewesen und irgendwann hat er sie dann rumgekriegt. Ich hatte da immer so ein Bild dazu, das eine Drehung involviert: der Opa dreht die Oma auf den Boden. Er dreht sie einmal vollständig rum. Und dann legt er sich auf sie drauf. Schwanger. Hochzeit. Arbeit in der Fabrik, in der man sich die Finger an den Maschinen, die die feinen Rillen im Kordstoff machen, abschneidet, wenn man nicht gut aufpasst. Deswegen fehlten dem Opa ein paar Fingerglieder. Und wegen dem Krieg. Aber als er die Oma rumgekriegt hat, hatte er noch alle Finger. Zwar auch kein Geld, aber wenigstens noch alle Finger. In der Fabrik gab es nicht viel Geld. Die Oma ist dann zusätzlich noch putzen gegangen zu den reichen Leuten in Liechtenstein. Oma und Opa haben in den Barracken gewohnt. Mit den Kindern. Es gibt ein Foto von der Oma, wie sie in der offenen Türe steht und zu den Kindern herüber schaut, die am Kies mit einem Dreirad spielen. Sie hat ein Geschirrtuch in Händen und ein Baby im Bauch. Der Opa ist nicht drauf. Vielleicht hat er also das Foto gemacht. Ich frage mich, wie das war für die Oma. Als Kind nimmt man das alles ja einfach so, wie es gesagt wird. Die Oma sagt rumgekriegt, und ich frag' nicht nach. Die Oma sagt Krieg, und ich frag' nicht nach. Es ist, wie es ist, und außerdem vorbei und außerdem nicht mein Leben. Fern ist das, dieses Leben, von dem die Oma damals manchmal spricht. Ihre Kindheit und Jugend nur in Schwarzweiß erhalten. Und die Menschen so anders in Schwarzweiß: die Kleidung, die Haltung. Die müssen ganz anders gewesen sein, innen. Ganz anders empfunden haben als wir heute. Als ich. Weil die Gesichter so anders aussehen. Starr. Ungerührt. Unberührt. Die Oma sieht auf den Fotos verhalten aus. Als hätten die Menschen damals alle die Luft angehalten, so sehen die aus. Und ich kriege das im Kopf einfach nicht zusammen: die junge, schwarzweiße Oma auf den Fotos, ihre Geschichten vom Krieg und vom Rumkriegen und dann die alte Oma mit der Schürze, die mir Schnitzel und Butterspätzle mit extraviel Butter macht. Da liegen mindestens hundert Jahre zwischen diesen beiden Omas. Hundert Jahre und eine ganze Welt. Also frag' ich nicht nach. Weil es ist, wie es ist: unverständlich fern.
 Ich bereue das. Dass ich nie gefragt habe. Ich bereue das, dass ich die Oma nie verstanden habe, als Mensch. Dass ich sie nie wahrgenommen habe, als Mensch. Als Frau. Nur als Oma. Als das, was ich einmal werden würde in ihrem Alter. Aber das würde erst in weiteren hundert Jahren sein und in einer anderen Welt. Weil ich war jung. Ein Kind. Eine Jugendliche. Ich würde erst in hundert Jahren so alt sein wie die Oma. Mit Schürze. Und ich würde Canasta spielen am Donnerstag. Und ich würde mir beim Frisör eine dezent lila gefärbte Dauerwelle machen lassen. Ich fürchtete mich immer vor diesem Zustand, dem Alter, den Canasta-Freundinnen. Weil die alle so langweilig waren. Grau und ein bisschen lila und ein bisschen traurig. Ein bisschen so, als würden die dauernd die Luft anhalten, wie auf den Fotos.
     Manchmal haben wir Enkelkinder Rommé gespielt mit der Oma - weil Canasta konnten wir nicht. Die Oma hat die Angelegenheit sehr ernst genommen. Die Spielregeln waren exakt festgelegt und einzuhalten und Punkte wurden auf einem Stück Papier notiert. Sieg und Niederlage, alles mit Bleistift notiert. Da gab es kein Pardon oder irgendwelche Kinderregeln. Entweder wir spielten richtig Rommé oder wir ließen es bleiben. Also saßen wir gelegentlich für ein paar Runden ernst am Küchentisch mit den zwölf Karten in den kleinen Händen, die immer runterzufallen drohten, und wollten ebenso verbissen gewinnen wie die Oma. Nur einmal hat mein etwas älterer Cousin, der Dampfplauderer, einen solchen Blödsinn von sich gegeben, dass die Oma ihr ganzes Bier über den Tisch und alle Karten geprustet hat. Die Wangen aufgebläht, die Lippen spitz zusammengepresst, hat sie noch für eine Millisekunde versucht, das Lachen zurückzuhalten, was ihr misslang. Wie eine Fontäne spritze das Bier aus ihrem Mund in hohem Bogen über den mit Rommékarten belegten Tisch und uns in die verdutzten Gesichter. Ich kann mich nicht daran erinnern, was Mathias gesagt hatte, nur an Omas lautes, inbrünstiges Lachen. Sie hat gelacht und gelacht, nicht nur über den Kinderblödsinn, sondern auch über sich selbst. Wegen dem Bier und dem Spucken und dem Prusten hat sie gelacht. So sehr, dass sie sich verschluckt hat und ihr der Rotz aus der Nase lief. Und als sie dann endlich ausgelacht hatte, sagte sie: „Herrlich!“, seufzte tief und erleichtert und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. So hat sie immer ein Lachen beendet: „Herrlich!“, hat sie immer geseufzt.
     Wenn ich daran denke, wie die Oma gelacht hat, dann hab' ich weniger Angst vor dem Canasta-Alter. Heute sind es nicht mehr hundert Jahre bis dahin und ich muss oft an sie denken.
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Die Vorarlberger Schauspielerin

6/30/2019

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Bin ich froh, dass auch andere Menschen gerne schreiben - und dann noch so freundlich zu meinem Werdegang. Für alle Nicht-Vorarlberger*innen, die das Magazin aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in Papierausgabe in Händen halten werden, hier die digitale Version. Diesmal also ein Blog-Post, den ich nicht selbst verfasst habe, der mich aber sehr freut. Ich hoffe, euch auch... Danke an Sandra Kacetl und die Redaktion der "Vorarlbergerin"!
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Ein großes Dankeschön an die "Vorarlbergerin" und Sandra Kacetl.

​Ebenso an:
Hannes Hagenauer (Fotos 1,3,4)
Marcus Josef Weiss (Foto 2)
Dietmar Mathis (Foto 5)
und
an die Wiener Schneiderinnen von Lieblingssachen,
deren tolle Hose ich auf Foto 2 tragen darf!

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Meine Geschichte

6/9/2019

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Mein Schreiben floß in den letzten Wochen nicht ins Internet. Ich habe mich mit einem Projekt beschäftigt, das mich seit vielen Jahren begleitet - die Idee einer Geschichte, die schlussendlich in Drehbuchform gegossen werden soll. Ich sage das so: eine Geschichte. Eine. Als wüsste ich nicht, dass es meine Geschichte ist. Als wäre das ein Geheimnis, das nicht mal ich kenne. Aber ja, aber nein, so ist es: es ist meine Geschichte. Nicht unbedingt meine exakte biografische Geschichte, aber eine, die darauf fußt, daraus entstand. Entsteht. Entstehen soll. Das ist es, was in mir gärt. Meine Fantasie wandert selten auf hohe See und gebiert Haikatastrophen oder Piratenabenteuer, sie bewegt sich immer an Land und meist in meiner Nähe. Darüber kann ich schreiben. Darüber will ich schreiben. Darüber schreibe ich. Und gelegentlich gelingt mir was, und ich fühle mich danach erschöpft und zufrieden, ein wenig wie nach einer langen, anstrengenden Wanderung. Manchmal ist es auch gar nicht so anstrengend. Manchmal fühlt sich der Weg wie ein flotter Frühlingsspaziergang an, links und rechts blühen die Narzissen, Kirschbäume biegen sich unter üppiger, zartrosa Pracht, und dazwischen grasen friedlich Einhörner. Alles easy.
     Nur meine Geschichte und ich - wir haben es nicht so leicht miteinander. Sie scheint was zu wollen, was ich nicht erkennen kann. Ich weiß nicht so genau, woran das liegt. Entweder ich verstehe sie nicht oder sie versteht mich nicht. Ich schreibe und denke und tüftle und verwerfe und schiebe und biege und breche und fange von vorne wieder an. Oft schon. Ich suche den richtigen Zugang, den passenden Ausschnitt, einen neuen Blickwinkel und die formgebende Sprache. Stunden vor dem Computer - Stunden, Tage, in denen maximal drei neue Sätze entstehen, die nach der Kaffeepause dann auch schon wieder entsetzt gelöscht werden. So vergehen die Monate. Ja, Monate. Regelmäßig hebe ich also alle paar Monate den Kopf, die Finger noch über der Tastatur schwebend, und bemerke schockiert, wie schnell die Zeit fliegt und wie träge die Buchstaben über den Laptopbildschirm kriechen. Und dann krieg’ ich einen Rappel. Dann muss etwas passieren. Weil sonst passiert nie was. Weil sonst komm' ich nie wo an mit diesem Ding. Weil sonst wird das nix. Ich setze mir dann eine Deadline, um den Druck und so hoffentlich auch den Output zu erhöhen. Ein Wettbewerb zum Beispiel, eine Einreichung. Da wird das Vorhaben dann etwas konkreter. Da muss man dann bestimmte Bedingungen erfüllen und hat eine vorgegebene Struktur, die Zeit und Raum und Inhalt betrifft. Das hilft. Es gibt somit ein Etappenziel in Sichtweite, auf das man zugehen und das man erreichen kann. Und solche Etappenziele habe ich auch bereits erreicht. Da lasse ich mich dann nicht lumpen. So ist es nicht. Es steckt noch genügend Streberin in mir, die mich ehrgeizig antreibt, Prüfungen zu meistern und sich Lob und Preis am Ende wünscht. Mit sowas kann ich mich also ein wenig aus der Reserve locken und meiner zähen Denkarbeit einen Tritt in den Hintern verpassen. Oder ich mache einen Drehbuchschreibkurs. Ähnlicher Effekt. Und: man ist in so einem Kurs nicht mehr alleine! Wesentlicher Punkt. Ich mag und brauche zwar sehr viel Raum und Zeit für mich und mich und mich, aber zu viel davon macht mir Knoten im Hirn und Enge um die Seele. Da ist mit Schreibfluss dann auch Sense. Man braucht auch Kontakt, ja ja. Menschenkontakt. Selbst als Schreibende. Und es ist gar nicht so einfach, sich das zu organisieren. Da müsste man halt im Team schreiben. Aber mit wem, mit wem? Kann ja nicht einfach inserieren: Suche Frau zum gemeinsamen Schreiben. Bitte gut. Deswegen also Schreibkurs. Das ist ein großer, großer Pluspunkt für Schreibkurs und Gruppen und Klassen und Schule und so. Mein letzter Schreibkurs ist allerdings schon lange her. Der Zuspruch, den ich dort bekommen habe, hat mich eine Zeit lang weitergetragen. Ein paar motivierende Begegnungen mit Menschen, denen hie und da und hie und dann mal gefallen hat, was ich mache, haben ebenfalls beigetragen. Ein „Weiter so!“, ein „Schick mir was, ich helfe dir!“, ein „Schreib endlich ein Buch!“ taten viel. Diese Sätze waren es, die mich an mich und mein Vorhaben glauben ließen.
     Wo liegt denn dann jetzt aber eigentlich das Problem, richtig? Das habe ich mich auch gefragt. Faulheit? Mangelnde Disziplin? Verhärtete Muster? Fehlende Leidenschaft? Nein, nein, nein und nein. Ich will ja schreiben, Seite um Seite. Ich kann mich an Abgabetermine und Vorsätze halten. Ich bemühe mich immerhin darum, regelmäßig neue Perspektiven einzunehmen und offen zu bleiben. Und ich kenne das Feuer in mir, die Aufregung, die in jede meiner Zellen fährt und mich nicht nur zuversichtlich und optimistisch, sondern nahezu euphorisch in die Zukunft blicken läßt. Nein, das ist es nicht. Es ist viel dramatischer. (Will ich wohl meinen.) Das Problem ist das Ergebnis. Das Produkt. Es ist platt. Fad. Banal. Stümperhaft. Unerträglich. Ich merke das. Ich sehe das. Und ja, ich hegte lange die zarte Hoffnung, dass es sich hierbei um ganz normale Zweifel im Leben einer Drehbuch-Entstehungsgeschichte handelt. Dass ein jeder und eine jede im Laufe eines Schreibprozesses durch dieserlei Unannehmlichkeiten durch muss. Aber ich fürchte, dem ist nicht so. Ich fürchte, es handelt sich in diesem Fall erstens um die anfängerhafte Ungeübtheit, Ideen in Worte und bestimmte Formen zu gießen. (Bin ich ganz müde, sage ich Unfähigkeit. Bei Sonnenschein bleibe ich bei Ungeübtheit.) Ein Exposé für einen Film zu entwerfen erfordert eben dramatisches Schreiben und andere Qualitäten als jene, die für das Darniederfetzen eines übersichtlichen Feuilletontextes, der mit Liebes Tagebuch beginnt, genügen. Das ist bitter. Au au. (Das Herz.) Und zweitens handelt es sich um die möglicherweise noch traurigere Tatsache, dass die Geschichte keine Geschichte ist, sondern eine Aneinanderreihung von Situationen, geschmückt mit ein paar gut gemeinten, an den Haaren herbeigezogenen Accessoires. Inzwischen ist sie auch schon recht lädiert, die Geschichte. Ich hab sie schon so oft gedreht, gewälzt, zermalmt und aus den Krümeln versucht, etwas Neues entstehen zu lassen, dass ich mir nicht mehr sicher bin, ob sie überhaupt noch atmet. 
     Deswegen fällt mir das Atmen derzeit auch ein wenig schwer. Weil wenn sie stirbt, muss ich vielleicht auch. Denn wenn sie stirbt, was dann? Was ist dann mit #writingactress? Ohne meine Geschichte, ohne mein Projekt, ist es dann wieder #waitingactress… Und so fühlt es sich an, als ob mit dem Scheitern der Formulierung meiner Geschichte, auch ich dem Untergang geweiht bin. Und deswegen atme ich etwas flacher dieser Tage. Und mein Herz, in vollem Galopp, weckt mich nachts des Öfteren auf. Da ist mir natürlich klar, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann mit mir. Also bin ich zur Ärztin gegangen. Die hat ein bisschen gelächelt, als ich sagte, mein Herz rast so. Hat aber trotzdem ein EKG gemacht. Zur Sicherheit. Danach hat sie nochmal gelächelt. Und ich bin sauer wieder nachhause gegangen, mit der kleinen Papierrolle in der Hand, die meine Herztöne in rhythmisch zackigen Linien zeigt, die das blühende Leben darstellen. Aus Frust habe ich so geweint, dass mir eine kleine Ader im Auge geplatzt ist. Weil jetzt weiß ich ja immer noch nicht, was mit meiner Geschichte los ist.


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Nicht Lippenstift und nicht Moustache

3/8/2019

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Bei einem Familientreffen lugte meine Tante, die neben mir saß, so gar nicht verstohlen zu mir rüber und studierte mein Profil, bis ich mit vollem Mund fragte: Ja? Bitte? Sie antwortete mit einem bestechend schlichten Satz, der in seiner Einfachheit so treffend war und mich so tief berührte, dass in mir ein kleines Erdbeben stattfand. Sie sagte, ich sei eine richtige Frau geworden. Und das brachte mich komplett aus der Fassung. Meine Cousine und ich lachten spontan auf, beide dasselbe denkend, beide dasselbe Bedenkliche denkend: ich sei alt geworden. Wir assoziierten das Bild des Frauseins im Unterschied zum Mädchensein mit weiblichem Alter, das wiederum negativ in unseren Köpfen besetzt dazu führte, dass wir den Satz meiner Tante frech fanden. Nahezu eine Beleidigung. Einen Moment lang wehrte ich mich innerlich, war aber chancenlos gegen die so klaren Worte, die alle meine Zellen vibrieren ließen. Ich war eine Frau geworden. Ich war Frau. 
     In meiner diffusen Selbstwahrnehmung war ich bisher immer noch irgendwo zwischen Mädchen und Frau geschwebt, in vager Erwartung, dem Gefühl des Kindseins irgendwann endgültig zu entwachsen und somit erwachsen zu sein. Aber je älter ich wurde, umso unwahrscheinlicher schien mir ein Tag des Erwachsens, ein Tag an dem ich vollends Frau und nicht mehr Mädchen sein würde. Der Kinderblick, der nach vorne schauend eine deutliche Grenze zum Erwachsensein hin erkennt, wurde Jahr für Jahr verschwommener und die vermeintliche Trennlinie unklarer. Wobei die Unklarheit weniger um eine zeitliche Definition kreiste, als viel mehr um eine inhaltliche. Nicht Wann bin ich eine erwachsene Frau?, sondern Wie bin ich Frau? Was ist Frau sein? Als Kind ging ich in der Annahme, nach der Schule erwachsen zu sein. Das eigene Zuhause in der Universitätsstadt war für mich das Bild dafür. Als Studentin schob ich das Erwachsenenalter etwas weiter nach vorne auf der Zeitachse: wenn ich zu arbeiten beginnen würde, dann aber! In den Zwanzigern meinte ich, Mutterschaft und Hochzeit würde mich zur Frau machen. Und in den Dreißigern habe ich alle diese Theorien wieder verworfen. Es dämmerte mir, dass sich das Frausein einerseits nicht zeitlich festmachen ließ und ich andererseits aber auch keine Ahnung hatte, was Frausein für mich bedeutete. 
     Und so stehe ich nun in den Dreißigern vor dem Spiegel, schaue genauer hin und frage mich erst jetzt, was für eine Frau ich eigentlich sein will. Bin. Und was Frausein überhaupt ist. Wenn ich versuche, von all den Bildern, die mich beeinflusst haben, von all den Blicken, die mich geformt haben, zu abstrahieren, was ist dann Frausein für mich? Es ist nicht Rock oder Hose. Es ist nicht Herd oder Pferd. Es ist nicht lange oder kurze Haare, nicht Kinder oder keine Kinder. Nicht Empathie oder Intellekt. Nicht Träume oder Karriere. Es ist nicht Yin oder Yang, links oder rechts, rosa oder blau, schön oder stark, Nähmaschine oder Regenschirm. Es ist nicht der Lippenstift und es ist nicht le Moustache. Ich war und bin immer noch auf der Suche nach neuen Bildern. Meinem Bild. Und diese Suche bedeutet, in Frage zu stellen, hinter die Bezeichnungen zu schauen, Formen zu brechen.
     Und just in dem Moment, in dem ich im Begriff war, mich von meinen alten Bildern zu lösen und mich vollkommen planlos auf den Weg zu machen, betrachtete mich meine Tante so von der Seite und stellt fest: Du bist eine richtige Frau geworden. Und dieser Satz hat mir den letzten Schubs gegeben und mich endgültig aus der alten Fassung geschoben - der Auffassung des mit negativen und einengenden Bildern behafteten Frauseins. Der Auftakt in den nächsten Abschnitt der Reise. Und ich habe ihn lieben gelernt, diesen einfachen Satz.
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Frauen

3/2/2019

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Einige der notierten Zitate aus Büchern, die ich in den letzten Monaten gelesen habe.
Mit unverkennbarem Thema. 



„Ich glaube, dass ich der einzige Mensch auf dieser Welt bin, der von unsterblichem, ungebrochenem Vertrauen erfüllt ist.“ 
Katherine Mansfield 

"Und wenn wir uns begegnen, dann lass es bitte in Freiheit geschehen - tu nichts für mich! Ich habe schreckliche Angst vor dem Mangel an persönlicher Freiheit. Ich bin eine zutiefst verschlossene Natur! Ich weiß nicht, ob das mit meiner Bitte an dich zu vereinbaren ist, für mich bis April ein Paar Hosen zu nähen."
Katherine Mansfield (in einem Brief an Ida Baker)

„Ich fordere Sie hiermit auf Ich bin eine Feministin! zu sagen. Am liebsten wäre es mir, wenn Sie auf einen Stuhl steigen und von dort ICH BIN EINE FEMINISTIN! rufen würden - weil ich generell der Meinung bin, das alles was man macht, gleich viel aufregender ist, wenn man dabei auf einem Stuhl steht.“
Caitlin Moran

„Sehen Sie, das Leben ist für mich nie sehr einfach, obwohl ich immer sehr glücklich bin - vielleicht weil ich es mir so sehr wünsche, glücklich zu sein. Ich liebe das Leben so sehr und verabscheue den Gedanken, eines Tages sterben zu müssen. (…) Außerdem möchte ich vom Leben alles.“
Simone de Beauvoir

„Ich habe lange gezögert, ein Buch über Frauen zu schreiben. Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen; außerdem ist es nicht neu.“
Simone de Beauvoir

„Das mythische Denken behauptet die Weiblichkeit und man spricht also von unweiblichen Frauen. Statt aus den realen Frauen die Definition der Weiblichkeit abzuleiten.“
Simone de Beauvoir

„Viele der sogenannten starken Frauenfiguren sind kaum mehr als die Fantasie männlicher Autoren. Nur weil Frauen im Kino zunehmend abenteuerliche Kampfsportarten beherrschen, physisch also fit sind und sich wie Männer verhalten, macht sie das nicht automatisch zu facettenreichen Charakteren.“
Natalie Portman

“I worshipped dead men for their strength, forgetting I was strong.” 
Vita Sackville-West

„Ich kann weder Vorbilder nachleben, noch werde ich jemals ein Vorbild darstellen können, für wen es auch sei. Hingegen mein eigenes Leben nach mir selbst bilden, das werde ich ganz gewiß, mag es nun damit gehen wie es mag. Damit habe ich ja kein Prinzip zu vertreten, sondern etwas viel Wertvolleres - etwas, das in einem selber steckt und ganz heiß vor lauter Leben ist und jauchzt und heraus will. (…) Wir wollen doch sehen, ob nicht die allermeisten sogenannten Schranken, die die Welt zieht, sich nicht als harmlose Kreidestriche herausstellen.“
Lou Salomé

„Es erwies sich, daß durch Vermeidung des Scheines, durch Beibehaltung der ganzen Schnürbrust von Vorurteilen und Rücksichten, in welche man tausend der schönsten Lebenstriebe zurückzuzwängen gewohnt ist, nicht mehr Achtung und Liebe erworben werden kann, als durch die volle Auslebung der Persönlichkeit, die in sich ihre Legitimation trägt.“
Lou Salomé

„Radfahrende Frauen um die Jahrhundertwende waren ein Bürgerschreck. Aber die Frauen selbst sahen das Fahrrad als Vehikel ihrer Emanzipation.“
Michaela Wiesner-Bangard und Ursula Welsch

„I’m just a loud-mouthed, middle-aged, colored lady with a fused spine and three feet of intestines missing and a lot of people think I’m crazy. Maybe you do too, but I never wonder why I’m not like other people. The mystery to me is why more people aren’t like me.“
Florynce Kennedy

„In meinem Leben ist die Kreisbewegung, nicht die Hierarchie wesentlich.“
Gloria Steinem

„In die Reise aufbrechen bedeutet auch immer, selbst durch dir Reise aufgebrochen werden.“
Gloria Steinem

„Ihre Träume und Wünsche waren unbestimmt, romantisch. Hätte sie jemand ganz brutal gefragt, was sie denn erwarte, hätte sie vielleicht gesagt Le merveilleux. Es war ein Hunger, der sich nicht irgendwo im Körper lokalisieren ließ.“
Anaïs Nin
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Fünfsiebtelvegan

2/24/2019

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Es gibt inzwischen viele Bezeichnungen für Menschen, die sich auf eine spezielle Ernährung umgestellt haben. Genug, müsste man meinen, um sich selbst irgendwo einordnen zu können, in eine der Schubladen von vegetarisch, vegan, ovo-vegetarisch, lacto-vegetarisch, flexi und Co. Aber nein, ich brauche eine ganz eigene Wortkreation für meine neue Ernährungsform, die ich seit einer Woche praktiziere: Fünfsiebtelvegan. Fünf Tage die Woche vegan und am Wochenende omni. 
     Schon seit einiger Zeit beschäftigt mich das Thema Veganismus. Nicht nur aus gesundheitlichen, sondern auch aus allen anderen relevanten Gründen. Die da wären: Tier(mit)leid, Umwelt und Klima, Weltarmut vs. Weltreichtum, Hunger vs. Überfluss und Überdruss und eben die schon erwähnte Gesundheit (des Menschen). 
   Wie?! All das hängt an meiner Ernährung? Veganismus rettet also die Welt und unser aller Seelenheil? Superveganismus sozusagen? In der Tat hängt an so etwas simplem wie unserer Ernährung sehr viel mehr als nur unser eigenes persönliches Wohlbefinden und eine gut funktionierende Verdauung. Ein kurzer Überblick erklärt wie das kommt:

1. GESUNDHEIT
Viele bekannte Studien zeigen den Zusammenhang zwischen Krankheiten wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Übergewicht, Osteoporose, Allergien, Neurodermitis… etc. auf. 
Siehe z.B. „China Study“ (Wikipedia-Eintrag) von den Amerikanern Campbell. 
Eine übersetzte Version als PDF hier. 

2. KLIMA
Die Treibhausabgase, die bei der Nutztierhaltung (für Fleisch und Milchprodukte etc.) entstehen, machen knapp mehr als die Hälfte der weltweiten Treibhausabgase aus - also mehr als der gesamte Verkehr  aller Transportmittel. Somit sind sie die Hauptursache der Klimakatastrophe. 

3. TIERLEID
Jährlich werden 500 Millionen Tiere in Deutschland geschlachtet. In dieser Masse ist eine „freundlichere“ Tierhaltung nicht umsetzbar. 

4. ARMUT UND HUNGER
50% der Weltgetreideernte und 90%(!) der Weltsojaernte gehen als Futter in die Nutztierhaltung. Nicht in die pflanzliche Milch des Hipsterkaffees!
Zahlen aus der WWF Studie "Fleisch frisst Land“ hier. 
Weltweit hungern dadurch etwa 1 Milliarde Menschen und über 40.000 Kinder sterben durchschnittlich täglich daran. Es wurde bereits mehrfach errechnet, dass pflanzliche Nahrung die Welt ernähren und satt machen könnte. 
Siehe z.B. auf Simply. Live. Consciously.: 
https://www.simply-live-consciously.com/deutsch/ernährung-ressourcenverbrauch/tierfutterverbrauch/

Wer detaillierte Informationen möchte, findet diese z. B. Auf der von Peta empfohlenen Webseite ProVegan. https://www.provegan.info/de/

Im Laufe der letzten Jahre habe ich immer wieder einzelne dieser Informationen aufgeschnappt und nicht so richtig hingehört und hingeschaut. Habe mir gedacht, ja ja, weiß ich eh, weiß man eh, aber ganz so dramatisch kann’s nicht sein, und wenn doch, ich brauch halt trotzdem meine Butter am Brot und die Schlagobershaube auf der heißen Schoki und vor allem die Milch im Kaffee, während ich auf den Weltuntergang warte. Außerdem, die Dinosaurier haben es auch nicht überlebt, Fleischfresser und Veganosaurier: alle hin. 
     Und dennoch haben sich einige dieser Bilder und Informationen in mir festgesetzt und tauchen nun regelmäßig an meiner Bewusstseinsoberfläche auf: die armen Garnelenfarmer, die Lämmchen zu Ostern, verängstigte Kälbchen und vor allem weinende Menschenkinder. Irgendwann fühlte ich mich von diesen Bildern so in eine Ecke gedrängt, dass ich mich einfach an die Recherche machen musste. Mir ist das alles nicht mehr einfach wurscht.
    Man kann durchaus etwas abgeschreckt von manch einer moralischen oder missionarischen Haltung im Feldzug der Ernährungsapostel sein, aber die Ergebnisse, die anerkannte, große Studien inzwischen bringen, sprechen dennoch eine sehr deutliche Sprache. Mit meiner neuen Ernährungsform, hänge ich mir noch kein Superheldinnencape um, aber sie ist ein für mich machbarer und sinnvoll erscheinender Beitrag zu Weltrettung. Ich glaube an das Gute eines bewussteren Konsums, einer Konsumreduktion und die dadurch entstehenden Veränderungen für Tiere, Umwelt, Klima und Menschen. Aber weil ich auch ein bisschen Angst vor dem Verzicht und der Umstellung habe, wähle ich vorerst mein Fünfsiebtelvegan-Konzept. Ich finde das ein bisschen genial.

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Frauen formen

2/24/2019

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Meine Eltern lasen uns Kindern jeden Abend einen Teil einer Geschichte vor. Wir hörten von der roten Zora, von Krabat und von Ronja, von Mogli und Pipi Langstrumpf, von Momo, Mio und Madita. Später las ich dann selbst, und zwar jeden einzelnen Krimi von Agatha Christie. Trotzdem wurde keine große Leserin aus mir wie aus meinen lesenden Eltern. Ich blieb eine kleine Leserin. In den letzten Jahren las ich je im Sommer ein, zwei Bücher und zu Weihnachten vielleicht eines. Immer Romane. Wenn ich bei meinen Eltern zuhause neben dem Bücherregal Yoga machte, studierte ich kopfüber die Buchrücken und suchte mir ein Buch aus. Das war’s dann wieder für ein paar Monate. Die Lesemüdigkeit, die sich eingeschlichen hatte, wurde zwar vermutlich nicht ausgelöst, aber doch unterstützt durch mein Prismasehen, das zufolge hatte, dass ich nur einäugig lesen konnte und mir gelegentlich eine selbstgebastelte Augenklappe zu diesem Zwecke aufsetzte. Anstrengend.
     Inzwischen habe ich eine Brille, die dem Lesen hilft. Und seit ich auf die Frauen gekommen bin, habe ich auch einen Büchereiausweis. Die Frauen sind es nämlich, die mein Interesse am Lesen wieder wachgerufen haben. Die weibliche Gedankenwelt. Nach eben jener habe ich mich auf die Suche gemacht. Daher also Büchereiausweis. 
     Als erstes habe ich „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir gelesen. Jedes einzelne Wort habe ich verschlungen. Bin mit dem Blick so oft über jeden Satz gefahren, bis ich dessen Inhalt wirklich verstanden und aufgenommen hatte. Ich habe geweint beim Lesen. Manchmal auch gelacht. Und einiges mitgeschrieben, denn so schnell werde ich den Schinken wohl nicht nochmal lesen. Nicht nur, weil es ein Schinken ist, sondern vor allem deswegen, weil es noch so viel mehr zu lesen gibt. So viele Vorbilder direkt vor meiner Nase in den Bücherregalen. Bücher von oder über Frauen, deren revolutionäre Haltungen, Überlegungen und Weltanschauungen mich in Erstaunen versetzen und mich motivieren. Alte Bilder, einst erdacht, werden auf’s Neue lebendig in meinem Kopf, und ich fühle mich plötzlich so verbunden. Verbunden mit Autorinnen, die teils schon lange nicht mehr leben, verbunden mit Gedankengut, das Zeit und Raum trotzt. Und verbunden mit den Frauen ganz generell. Es sind die Bücher, die mir inzwischen einige große Denkerinnen näher gebracht haben und sie mir ans Herz wachsen ließen. Es sind die Bücher, die in mir eine andere Zeit als jene, in der ich mich bewege, auferstehen ließen. 
     Voller Überschwang nenne ich Simone de Beauvoir, Anaïs Nin, Lou Andreas-Salomé und Gloria Steinem heute Freundinnen. Frauen, die gemein haben, je einen nicht vorgezeichneten Weg gegangen zu sein (und immer noch zu gehen), je ein Leben jenseits der Konventionen verbracht zu haben, immer auf der Suche nach der eigenen inneren Wahrheit und dem Ausdruck ihres tiefsten Selbst.

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    Julia Koch

    Schauspielerin.
    Schreibende.
    ​In Wien.
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